Alte Apfelsorten: Was macht sie so besonders?
Sie heißen „Gelber Richard“, „Pfaffenhofer Schmelzling“ oder „Schöner von Wiltshire“. Alte Apfelsorten haben wohlklingende, ja, fast geheimnisvolle Namen und lassen aufgrund dieser schon erahnen, dass sie etwas Besonderes sind. Doch worin unterscheiden sie sich von herkömmlichen Apfelsorten? Wo findet man sie? Und in welcher Zubereitungsart schmecken die Früchte am besten? Wir haben den Geheimnissen dieser Äpfel nachgespürt.
Inhalt
Alte Apfelsorten – echte Raritäten
Archäologische Entdeckungen zeigen, dass der Apfel bereits seit dem 6. Jahrhundert vor Christus als Kulturpflanze angebaut wurde. Schon in der Antike widmeten sich Griechen und Römer der Veredelung und schufen erste Sorten. Im Laufe der Jahrhunderte wurden kontinuierlich Züchtungs- und Kreuzungsexperimente mit verschiedenen Arten der Gattung Malus durchgeführt. Dies führte zu einer beeindruckenden Bandbreite an Sorten, Farben, Formen und Geschmacksrichtungen.
Mittlerweile sind alte Apfelsorten meist erlesene Raritäten, die nur schwer zu finden sind. Warum? Weil dieses Obst sich aus verschiedensten Gründen nicht für die Massenproduktion eignet, ist es fast überall vom Markt verschwunden – trotz der hohen Qualität. Apfelbäume alter Sorten stellen oft spezielle Ansprüche an Klima, Standort und Bodenbeschaffenheit. Manch eine Apfelsorte benötigt eine besonders intensive Pflege oder ist wenig ertragreich. Manch andere Apfelsorte entspricht in Aussehen oder Geschmack nicht dem, was der Masse gefällt. Dabei ist ihre Vielfalt so extrem wertvoll für den Erhalt der Biodiversität.
Wie kann man zum Erhalt alter Apfelsorten beitragen?
Früher wusste kaum jemand etwas mit alten Sorten von Obst oder Gemüse anzufangen. Das hat sich inzwischen geändert. Alte Apfelsorten erleben seit einiger Zeit geradezu eine Renaissance. Immer mehr Menschen erkennen, wie wichtig Arten- beziehungsweise Sortenvielfalt für das Leben auf der Erde ist. Mittlerweile gibt es viele Initiativen, die sich im Rahmen von Projekten oder durch Eigenanbau für den Erhalt alter Apfelsorten einsetzen. Durch bewussten Einkauf und/oder das Pflanzen alter Apfelbäume im eigenen Garten können auch Sie die Arten- und Sortenvielfalt unterstützen und Ihren Gaumen mit vielfältigen Geschmackserlebnissen verwöhnen. Streuobstwiesen tragen in ähnlicher Weise zur Biodiversität bei. Hier wird das Wachstum der Bäume und Pflanzen ohne Einsatz von Dünger oder Pflanzenschutzmitteln ganz der Natur überlassen.
Welche Eigenschaften kennzeichnen alte Apfelsorten?
Über Jahrhunderte hinweg hat man in den Regionen generationenübergreifend alte Apfelsorten kultiviert. Das erworbene Sortenwissen ist ein wertvolles, schützens- und erhaltenswertes Kulturgut zur Förderung der Biodiversität. Weil jede Sorte optimal an das Klima und den Boden in ihrer jeweiligen Region angepasst ist, kommen alte Apfelsorten meist nur in ihrer heimischen Region vor. Im Hinblick auf Geschmack, Form und Farbe zeichnen sich die Früchte durch eine große Vielfalt und ein intensives, komplexes Aroma aus. Moderne „Hochleistungsäpfel“ gibt es in einer überschaubaren Sortenauswahl. Züchtungsziele für diese Art von Apfel sind vor allem extreme Haltbarkeit, maximaler Ertrag sowie ein maßgeschneiderter „Supermarktgeschmack“.
Welche Vorteile bieten alte im Vergleich zu herkömmlichen Apfelsorten?
- Diese Arten von Apfel fördern die Biodiversität der Pflanzen- und Tierwelt.
- Der Anteil an Monokulturen wird durch alte Apfelsorten reduziert.
- Alte Sorten eignen sich sehr gut für den Biolandbau.
- Sie sollen widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge sein.
- Die Früchte gelten als allergikerfreundlich (wie zum Beispiel Gravensteiner, Goldparmäne, Alkmene, Boskoop, Ananasrenette oder der Glockenapfel)
- Mit dieser Art von Apfel bleibt ein jahrhundertealtes Kulturgut erhalten.
- Die Aromen- beziehungsweise Geschmacksvielfalt wird bewahrt.
- Die Früchte alter Sorten sollen besonders viele wertvolle Inhaltsstoffe enthalten.
- Alte Apfelsorten gelten als qualitativ hochwertig.
Wie viele alte Apfelsorten gibt es in Deutschland?
Laut Eckart Brandt, dem TV-bekannten „Apfelpapst“ und Bio-Bauern in Norddeutschland, soll es einst allein in Deutschland fast 8.000 Obstsorten gegeben haben. Der Anbau riesiger Monokulturflächen und die Rodung alter Hochstammanlagen hätten viele Tiere und Pflanzen verdrängt, so Brandt. Als Gegeninitiative gründete er bereits 1985 das sogenannte Boomgarden-Projekt im niedersächsischen Helmste. Dort hat er seitdem Hunderte alte, vor allem lokale und regionale Obstsorten gesammelt.
Auch das Bundessortenamt führt und veröffentlicht einen Gesamtüberblick im Bereich Obst. Auf Antrag und nach Prüfung festgelegter Kriterien nimmt das Amt neu entdeckte Sorten in seine Datenbank auf. Die Liste der Apfelsorten, in der auch die alten Sorten erfasst sind, umfasste im Oktober 2020 stolze 179 Seiten.
Woran erkennt man alte Apfelsorten?
Alte Apfelsorten sind eine Wissenschaft für sich. Um einen Apfelbaum im hauseigenen Garten zu bestimmen, zieht man am besten einen Pomologen oder eine Pomologin zurate. Das sind Apfel-Fachleute, die sich unter anderem mit dem Anbau, der Züchtung und der Bestimmung von Apfelsorten befassen. Das Aussehen, der Geruch und der Geschmack geben wesentliche Anhaltspunkte bei der Bestimmung einer alten Apfelsorte. Am aufschlussreichsten ist das Schnittbild des Apfels. So begutachten die Fachleute unter anderem, welche Farbe das Fruchtfleisch hat (weiß, weißlich-gelb oder leicht rötlich) sowie die Beschaffenheit der Stielgrube (breit oder tief) und des Gefäßbündels (herz- oder zwiebelförmig). Auch die Apfelkerne liefern Hinweise auf eine bestimmte Sorte.
Woher kommen die alten Apfelsorten?
Die Vielfalt der Apfelsorten entstand meist in Klostergärten, in Baumschulen und auf Gutshöfen. Alte Sorten haben interessante Geschichten zu erzählen. Ihre Herkunft lässt sich oft über den Namen herleiten. So stammt beispielsweise der „Finkenwerder Herbstprinz“, eine der bekanntesten norddeutschen Sorten, von der ehemaligen Elbinsel Finkenwerder südlich von Hamburg. Er breitete sich in der gesamten Region aus. Ende der 60er Jahre gehörte er zu den wichtigsten Wirtschaftsäpfeln des Alten Landes, einem der größten Obstanbaugebiete Nordeuropas.
Welcher Apfel eignet sich wofür?
Grundsätzlich ist zwischen Tafeläpfeln, Mostäpfeln und Wirtschaftsäpfeln zu unterscheiden.
Tafeläpfel
Tafeläpfel lassen sich direkt nach dem Pflücken vom Baum verzehren. Die Früchte sind besonders saftig und süß, haben eine bissfeste Schale und sehen ansprechend aus. Sie gelten als gut transport- und lagerfähig und werden gern zum Backen sowie für Marmelade und Apfelmus verwendet.
Mostäpfel
Mostäpfel schmecken sauer und eignen sich nicht zum direkten Verzehr. Aus ihnen wird nach der Ernte meist Apfelsaft und Wein hergestellt.
Wirtschaftsäpfel
Wirtschaftsäpfel sind entweder durch äußere Einflüsse beschädigt, zu klein oder zu trocken und werden zu Apfelmus, Apfelwein oder Apfelsaft weiterverarbeitet.
Alte Apfelsorten im Kurzporträt
Jede Apfelsorte ist einzigartig. Das gilt für die Farbe der Schale, das Fruchtfleisch, den Geschmack, den Zeitpunkt der Pflück – und der Genussreife sowie für ihre Verwendung. Viele Äpfel lassen sich frisch verzehren, andere werden eingelagert, bis sie ihr vollendetes Aroma entfalten. In der Zeit zwischen Pflückreife und Genussreife können sich Aussehen und Geschmack der Äpfel verändern.
Altländer Pfannkuchenapfel
- Farbe: grün-gelb bis leuchtend rot
- Geschmack: fruchtig, süßsäuerlich
- Eignung: Frischverzehr, zum Kochen und Backen (Pfannkuchen)
- Genussreife: Februar bis Juni
Berlepsch
- Farbe: gelb, braun-rote Deckfarbe, gestreift oder marmoriert
- Geschmack: würzig, fein säuerlich, aromatisch, sehr saftig
- Eignung: Frischverzehr, für Desserts und Säfte
- Genussreife: November bis März
Boskoop
- Farbe: gelb, auf der Sonnenseite dunkelrot
- Geschmack: säuerlich, aromatisch
- Eignung: Frischverzehr, Bratapfel, Apfelmus
- Genussreife: Ende November bis April
Cox Orange
- Farbe: grünlich-gelbe Schale, sonnenseits gerötet und gestreift
- Geschmack: edles, süßes Aroma
- Eignung: Frischverzehr, Kompott, Obstsalat, Kuchenbelag
- Genussreife: Ende Oktober bis März
Gelber Richard
- Farbe: weißlich-grün
- Geschmack: fein aromatisch, erlesen, mittelsaftig
- Eignung: Frischverzehr
- Genussreife: Oktober bis Januar
Goldparmäne
- Farbe: goldgelb gefärbt, sonnenseits gerötet, kräftig gestreift
- Geschmack: saftig, süßsäuerlich, leicht nussiges Aroma
- Eignung: Frischverzehr, Kompotte, Kuchenbelag, Saft
- Genussreife: Oktober bis Januar
Gravensteiner
- Farbe: gelbgrün bis gelb mit rötlichen Streifen
- Geschmack: ausgeprägt würzig
- Eignung: Frischverzehr, Mus, Kompotte, Apfelwein
- Genussreife: ab Ende August
Holsteiner Cox
- Farbe: gelblich, sonnenseits gerötet
- Geschmack: saftig, süßsäuerlich, mit edlem Aroma
- Eignung: Frischverzehr, Direktsaft
- Genussreife: Oktober bis Dezember
Pommerscher Krummstiel
- Farbe: gelb, sonnenseits rot bis streifig rot
- Geschmack: saftig, erfrischend süßsauer mit wenig Würze
- Eignung: Frischverzehr, Backsorte
- Genussreife: November bis Februar
Schöner von Herrnhut
- Farbe: gelb, stark rotstreifig
- Geschmack: sehr saftig, süßsäuerlich mit zarter Würze
- Eignung: Frischverzehr
- Genussreife: Oktober bis Februar
Weißer Klarapfel
- Farbe: hellgelb
- Geschmack: mild säuerlich
- Eignung: Frischverzehr, Apfelmus, Backsorte
- Genussreife: von Juli bis August
Wo findet man alte Apfelsorten?
Wer im Garten keinen alten Apfelbaum hat, sollte sich gezielt auf Wochenmärkten oder in Hofläden direkt auf dem Bauernhof umschauen. Mit etwas Glück findet man zu bestimmten Zeiten sogar den ein oder anderen „alten“ Apfel im Supermarkt, wie beispielsweise den Boskoop zur Bratapfelzeit im Winter.
Sollten Sie einen Apfelbaum mit einer alten Sorte im eigenen Garten pflanzen und zum Sorten-Erhalt beitragen wollen, werden Sie in speziellen Baumschulen fündig.
Tipp: Apfelrezepte in unserem Magazin
Nun stellt sich noch die Frage: Wie verwertet man die vielen Äpfel nach einer reichhaltigen Ernte im eigenen Garten? Hier finden Sie Ideen für leckere Apfelrezepte.