Aufforstung: Die Macht der Bäume
Eine Studie der ETH Zürich verweist auf das enorme Potenzial, das die weltweite Aufforstung im Kampf gegen den Klimawandel birgt. Die notwendigen Voraussetzungen sind jedoch vielfältig.
Über 80.000 Satellitenbilder und Modellierungen verschiedener Vegetationen hat das Team um Studienleiter Tom Crowther ausgewertet. Das Ziel der Forschenden der ETH Zürich: herauszufinden, wo überall auf der Welt eine Wiederaufforstung möglich ist. Bäume stellen im Kampf gegen den Klimawandel nach wie vor eine bedeutende Stellschraube dar: Sie nehmen einen großen Teil Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre auf. Mehr als 50 Prozent der natürlichen Wälder hat der Mensch der Studie zufolge bereits abgeholzt. Nun müssen Umweltschützerinnen und Umweltschützer zusehen, wie sie wieder mehr Bäume ins Ökosystem bringen können.
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Techniken der Aufforstung
Weltweit stehen laut Studie insgesamt 900 Millionen Hektar Fläche für die Aufforstung zur Verfügung. Großes Potenzial sehen die Forschenden der ETH Zürich vor allem in Russland, den USA, Kanada, Brasilien, China und Australien. Um auf den potenziellen Arealen nachhaltig Wälder zu bewirtschaften, stehen verschiedene Techniken zur Auswahl.
Zum einen gibt es die sogenannte Erstaufforstung. Dabei geht es um Gebiete, auf denen bisher noch keine Bäume wuchsen. Diese bepflanzt man mit Setzlingen. Bei der Wiederaufforstung hingegen werden Flächen renaturiert, auf denen sich früher einmal Wald befand, der durch Brände oder Ähnliches zerstört wurde.
Aufforstung hat Potenzial
205 Gigatonnen Kohlenstoff könnten laut dem Schweizer Forschungsteam aus der Atmosphäre gewonnen werden. Dazu müsste man alle von ihnen ausgewerteten Gebiete ausschöpfen. In einem Beitrag des Deutschlandfunks setzt der Studienleiter Tom Crowther diese Zahl in Relation. Er betrachtet die seit der industriellen Revolution vom Menschen verursachten Emissionen. Zwei Drittel davon könnten nach seiner Ansicht bei einer weltweiten Aufforstung aus der Atmosphäre gebunden werden. Das wäre ein wichtiger Schritt bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Zu euphorisch darf man die Situation jedoch nicht einschätzen. So erklärt der Göttinger Waldbauprofessor Christian Ammer im Deutschlandfunk-Beitrag, nur damit sei es nicht möglich, das Klima in Deutschland zu retten. Schon jetzt könnten 30 Prozent des vorhandenen Waldes lediglich 14 Prozent des hiesigen CO2-Ausstoßes kompensieren. Zudem weist der Experte darauf hin, die größte Waldzunahme lasse sich beobachten, wenn der Mensch sich aus einem natürlichen Raum zurückziehe. Das heißt, die Landnutzung muss sich verändern und die Natur muss wieder Platz haben.
Aufforstungsprojekte: Das Beispiel „Deutschland Forstet auf“
Bei dieser Rückgewinnung des natürlichen Raums unterstützen Plattformen wie Deutschland Forstet Auf. Das Netzwerk bringt in Form von Aktionstagen hilfsbereite Umweltschützerinnen und Umweltschützer mit Forstleuten zusammen. Die Gründerin Mareike Krug verweist auf den Baumzähler auf ihrer Homepage. Demzufolge seien seit dem Start der Plattform, also der Frühjahrspflanzung 2020, ca. 75.500 Bäume in Deutschland gepflanzt worden.
Wald pflanzen – für Forstleute zeitlich kaum möglich
Das Pflanzen der Bäume stellt nicht die zentrale Hürde dar, die mit einer Wiederaufforstung einhergeht. Vielmehr ist es die dafür benötigte Zeit. Waldbesitzende und Forstleute verbringen viel Zeit damit, die bestehenden Wälder gegen die Folgen des Klimawandels standhafter zu machen. Der Befall mit dem Borkenkäfer beispielsweise macht derzeit vielen Wäldern zu schaffen. Försterinnen und Förster müssen infiziertes Holz aus dem Wald entfernen. In anderen Wäldern halten Dürre, Waldbrände oder Pilze die Forstleute auf Trab. Plattformen wie „Deutschland Forstet Auf“ setzen gerade an diesem Problem an, um eine schnelle und effektive Aufforstung umzusetzen. „Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt“, zitiert Mareike Krug das bekannte Sprichwort.
Weitere Hürden der Aufforstung
Damit ein neuer Baum gut gedeihen kann, müssen Voraussetzungen in Bezug auf den Standort erfüllt sein. An dieser Stelle zeigt die oben genannte Studie der ETH Zürich laut Deutschlandfunk eine erste Schwachstelle. Ein Aspekt ist der richtige Boden. Zwar bietet beispielsweise Russland die größte Fläche zur Aufforstung. Große Teile davon liegen aber in Sibirien, einem Gebiet, das nur im Winter erreichbar ist. Zu dieser Zeit ist jedoch der Boden gefroren. Das Pflanzen von Bäumen ist somit nicht möglich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der sogenannte Albedo-Effekt. Dieser findet in der Schweizer Studie keine Berücksichtigung, ist aber dennoch wichtig für eine effektive Aufforstung. Die Albedo beschreibt das Rückstrahlungsvermögen einer Fläche. Die verwendete Baumart spielt dabei eine wichtige Rolle. So liegt laut Spektrum zum Beispiel die Albedo für einen dunklen Nadelwald bei fünf bis zwölf Prozent, während ein Laubwald eine Albedo von 15 bis 20 Prozent aufweist. Das ist einer der Gründe, warum Expertinnen und Experten bei der Aufforstung auf Mischwälder setzen statt auf Monokulturen.
Aufforstungsprojekte haben auch sozial-ethische Aspekte
In Deutschland spiele der sozial-ethische Aspekt der Aufforstung eine zu vernachlässigende Rolle, so Mareike Krug. Hier sei der Besitz von Land durch das Grundbuch eindeutig geklärt. Jede Besitzerin und jeder Besitzer könne eigene Flächen aufforsten, ohne andere zu beeinträchtigen. Bei nicht forstwirtschaftlichen Flächen müsse jedoch eine staatliche Genehmigung zur Aufforstung vorliegen. Wenn Konflikte vorlägen, könne diese nicht erteilt werden.
In anderen Ländern hingegen kann die Neu- oder Nachbestückung von Wäldern zu Konflikten führen. So kam es zum Beispiel im indischen Bundesstaat Telangana zu Ausschreitungen zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern dörflicher Gemeinden und Mitarbeitenden von Forstbehörden.
Werden Flächen, die man vorher zum landwirtschaftlichen Anbau genutzt hat, zu Wald, verteuern sich Land und Lebensmittel. Die Konkurrenz um Land und Lebensmittel nimmt zu und das hat gravierende Folgen. Ob die Aufforstung in einem Land möglich ist, hängt also auch mit dem Wohlstand der jeweiligen Region zusammen: Laut einem Artikel des Katapult Magazins erhöhte sich zwischen 1990 und 2015 das Waldvolumen in wohlhabenden Ländern um 1,3 Prozent, in ärmeren Ländern nahm es hingegen um 0,7 Prozent ab.
Fazit: Kann das Pflanzen von Wald das Klima retten?
Der Erhalt und die Zucht von Bäumen für große und resistente Wälder können einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Mareike Krug bewertet jede Form von Aufforstung positiv. Allerdings sei das Anpflanzen von Bäumen für die Rettung des Klimas nur ein Bestandteil und keineswegs ausreichend. Der Ausstoß von CO2 nehme derzeit stetig zu, während gleichzeitig Urwald abgeholzt werde.
Auch aus den Ergebnissen der Züricher Studie lässt sich ableiten, dass die Aufforstung nur ein Mittel von vielen zur Klimarettung ist. Ein Grund ist, dass die Studie die Potenziale zur Aufforstung vor allem außerhalb Europas sieht. Nicht alle Maßnahmen zur Aufforstung, die auf deutscher oder europäischer Ebene greifen, funktionieren jedoch ohne Weiteres in anderen Ländern. Klimaschutzmaßnahmen müssen den lokalen Begebenheiten angepasst sein und die Existenzgrundlagen vor Ort berücksichtigen. Das gilt gleichermaßen für die Aufforstung.