Pflanzenporträt: Färberwaid – eine Pflanze zum „Blaumachen“
Vor über 160 Jahren wurde ein Kleidungsstück entwickelt, das bis heute nicht aus der Mode gekommen ist: die Bluejeans. Der deutsche Auswanderer Levi Strauss stellte 1853 für die Goldgräber in Kalifornien eine reißfeste Hose aus braunem Baumwollstoff her. Doch schon nach einigen Jahrzehnten färbte man den Hosenstoff mit der Farbe Indigo. Dazu verwendete man die vom deutschen Chemiker Baeyer 1878 entwickelte künstliche Indigofarbe. Bis dahin wurde die blaue Farbe Indigo jedoch ausschließlich aus Pflanzen hergestellt – eine davon ist der Färberwaid.
Inhalt
Wissenswertes zu Botanik und Anbau
Der Färberwaid (Isatis tinctoria) gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse, ist also beispielsweise nah verwandt mit Senf und Brokkoli. Die Pflanze ist zweijährig, das heißt, sie blüht erst im zweiten Standjahr. Im ersten Jahr nach der Saat bildet sie eine Blattrosette mit großen Blättern. Aus dieser wächst im zweiten Jahr ein etwa 150 cm hoher Blütenschaft. Daran wiederum entwickeln sich von Mai bis Juli unzählige kleine gelbe Blüten. Diese werden dann zu hängenden Samenschoten, die sich beim Reifen schwarz-violett verfärben. Die Samen enthalten bis zu 35 Prozent Öl – aus den Samen lässt sich ein schmackhaftes Speiseöl herstellen.
Für den Anbau der Pflanze im eigenen Garten sollten Sie den Samen im zeitigen Frühjahr, also im März und April, aussäen. Legen Sie den Samen in Reihensaat etwa zwei Zentimeter tief ins Erdreich und bedecken Sie ihn mit Erde. Die Pflanze liebt sonnige Standorte und etwas kalkhaltigen Boden. Man erntet die Blätter im Sommer des ersten Standjahres – im Juli. Der Neuaustrieb kann nach einigen Wochen nochmals geschnitten werden. Erst im Folgejahr kommen die Pflanzen zur Blüte und Sie können den Samen ernten.
Der Waid: eine jahrtausendealte Färberpflanze
Der Färberwaid stammt ursprünglich aus Südosteuropa und Westasien. Die Pflanze kam jedoch früh nach Mitteleuropa. Schon in der Jungsteinzeit gab es hier Waidanbau. Weltweit werden nur wenige Pflanzen angebaut, mit denen sich ein lichtechtes Blau färben lässt: Bis ins 17. Jahrhundert kannte man in Europa für diesen Zweck lediglich den Waid. Der älteste schriftliche Hinweis stammt von Julius Cäsar: „Alle Britannier färben sich mit Waid blau, und sehen daher in der Schlacht ganz schrecklich aus.“
Vor allem im Mittelalter stellte man Indigo in großen Mengen aus Färberwaid her. In Deutschland gab es in Thüringen riesige Gebiete für den Waidanbau. Die Stadt Erfurt gelangte durch den Handel damit zu Reichtum. Mit den Erlösen aus dem „blauen Gold“ wurde im Jahr 1392 die Universität der Stadt Erfurt gegründet.
Aus Gelb wird Blau – der Farbstoff sorgt für ein „blaues Wunder“
Im Waid findet sich kein blauer Farbstoff, sondern nur gelbe Vorstufen des blauen Indigos mit den Namen Isatan und Indican. Aus diesen Vorstufen stellte man in einem komplizierten und langwierigen Prozess das schöne Indigoblau her.
Die Bauern zerquetschten die Blätter in speziellen Waidmühlen zu einem Brei. Diesen schüttete man auf Haufen und unterzog ihn dann einer zweiwöchigen Gärung, also einer Fermentation. Die vergorene Masse formten die Bauern zu großen Kugeln und trockneten diese. Die sogenannten „Waidkugeln“ verkaufte man an die Färber, die den Verarbeitungsprozess fortsetzten. Für eine erneute Gärung füllte man die Waidkugeln nun in Farbbehälter, sogenannte Küpen, übergoss sie mit abgestandenem Urin und erwärmte das Ganze.
Nach einigen Tagen bekam die Küpe eine gelblich-grüne Farbe und auch einen äußerst unangenehmen Geruch. In diese stinkende Brühe legte man Wolle oder Leinen einige Stunden ein. Zunächst färbten sich die Textilien gelb. Nachdem man sie aus der Brühe nahm und sie mit Sauerstoff in Berührung kamen, begann sekundenschnell die Verwandlung in ein „blaues Wunder“. Weitere Informationen zum Färben mit Färberpflanzen lesen Sie im Beitrag über Färberpflanzen.
Früher legten die Färber beim Bläuen in der Luft einen Wartetag ein. Von diesem Ruhetag kommt das alte Sprichwort vom „Blaumachen“. Der Stoff roch übrigens nach mehrmaligem Waschen nicht mehr nach Urin. In der Neuzeit ersetzte man die Urinküpe durch eine chemische Küpe. Allerdings war die Zeit des Färberwaids ohnehin abgelaufen. Ab 1650 ersetzte man ihn zunehmend durch die indische Indigopflanze (Indigofera tinctoria), die eine wesentlich höhere Farbausbeute hatte. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Indigo schließlich synthetisch hergestellt.
Der Färberwaid: eine Färberpflanze mit Heilkraft
Der Färberwaid war aber auch schon immer eine Heilpflanze. Hildegard von Bingen nutzte ihn im Mittelalter für eine Salbe gegen Lähmungen. In erster Linie war er jedoch ein Mittel gegen Hautkrankheiten und Geschwüre. Man nutzte damals vor allem den Samen und die Blätter, die man als Brei aufbrachte. In der Volksmedizin spielt Waid auch eine Rolle bei Husten und Rachenentzündungen, wobei man mit dem Tee oder einer verdünnten Tinktur gurgelt.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin gilt die Wurzel des Färberwaids als gutes Mittel gegen Viren. 2003 setzte man sie bei der durch Coronaviren ausgelösten SARS-Epidemie in China vielfach ein, jedoch ist die Wirkung nicht wissenschaftlich belegt. Belegt ist allerdings die entzündungshemmende und krebshemmende Wirkung der Inhaltsstoffe. Maßgeblich an der guten Heilwirkung sind die Senfölglykoside, die sogenannten Glucosinolate, beteiligt, die unter anderem als sehr wirksam gegen Bakterien gelten. Das Kraut enthält große Mengen des krebsvorbeugenden Glucobrassicin, und zwar zwanzigmal mehr als Brokkoli. Erfolgreich eingesetzt wird eine Creme aus Färberwaid bei Psoriasis und Neurodermitis. Außerdem kommt die Pflanze wegen der pilzwidrigen Wirkung auch in einer Creme gegen Fußpilz zum Einsatz. In der Homöopathie setzt man Färberwaid ähnlich wie in der Chinesischen Medizin bei viralen Erkrankungen ein.
Der Färberwaid wird in der Literatur vielfach als leicht giftig beschrieben, weshalb nur die Verwendung von käuflichen Fertigpräparaten empfohlen wird. Gegen das Gurgeln bei Halsentzündungen oder die äußerliche Anwendung bei Hauterkrankungen ist nichts einzuwenden. Dazu verwendet man am besten eine verdünnte Tinktur. Ein Esslöffel kommt dabei auf einen Viertelliter warmes Wasser.
Holzschutz mit Färberwaid
Seit einigen Jahren stellt man aus dem frischen Saft des Färberwaids umweltfreundliche und biologisch abbaubare Holzschutzmittel her. Die Inhaltsstoffe haben eine pilzhemmende und insektizide Wirkung. Nicht nur der holzschädigenden Hausbockkäfer lässt sich so bekämpfen, sondern auch der holzzerstörende Kellerschwamm. Ein Grund mehr, sich die vielseitige Pflanze in den Garten zu holen.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde mit größter Sorgfalt erstellt. Der Autor ist jedoch kein Arzt oder Apotheker. Die im Beitrag gegebenen Informationen sind nicht als Gesundheitsberatung zu verstehen. Besprechen Sie eine Anwendung der Tipps mit gesundheitlichem Bezug daher bitte mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt.