Sharing Economy – wie die Wirtschaft des Teilens funktioniert
Ob Bohrmaschine oder Büchereibuch: Das Ausleihen oder Teilen von Gegenständen gehören für viele schon seit Langem dazu. In Zeiten von Smartphone und Co. haben vor allem Privatleute jedoch noch leichter Zugriff auf Ressourcen. Die Sharing Economy ist für viele Menschen eine gute Lösung, um vorübergehend an Dinge oder Leistungen zu kommen, die sonst teuer wären oder keinen dauerhaften Nutzen hätten. Gerade jetzt steigen Energie- und Rohstoffpreise, während Ressourcen knapper werden. Daher lohnt es sich, sich ernsthaft mit der Wirtschaft des Teilens zu beschäftigen. Gleichzeitig sollten grenzenloses Wachstum und bedingungsloser Konsum stärker hinterfragt werden. Was Sharing Economy genau bedeutet und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringt, wollen wir in diesem Beitrag genauer vorstellen.
Inhalt
Was versteht man unter Sharing Economy?
„Sharing Economy“, auch bekannt als „Shared Economy“, bedeutet wörtlich übersetzt „Wirtschaft des Teilens“. Ein Grundgedanke lautet: Gelungene Wirtschaft muss nicht auf Konsum durch individuellen Besitz beruhen. Das heißt, dass zwar materielle und geistige Güter sowie Ressourcen konsumiert werden, diese aber nicht einer Person allein zur Verfügung stehen. Vielmehr können mehrere Menschen sie abwechselnd nutzen – durch Leihen, Mieten, Schenken, Tauschen oder eben Teilen.
Sharing Economy: schon lange bewährt
Im Grunde gibt es das Prinzip der Sharing Economy schon seit Langem. Ein klassisches Beispiel sind Bibliotheken, in denen sich Menschen Bücher ausleihen und sie dann wieder zurückbringen. Auch Waschsalons zählen zu den Klassikern, ebenso wie öffentliche Schwimmbäder.
Schon lange schließen sich Landwirte gemeinschaftlich in Kooperativen oder Bauerngenossenschaften zusammen. So können sie ihre Anbauprodukte zu einem konkurrenzfähigen Preis auf dem Markt anbieten und sich besser gegen die großen industriellen Landwirtschaftsbetriebe behaupten. Eine besondere Genossenschaftsform haben wir in unserem Magazin-Beitrag zum Teikei-Kaffee vorgestellt. Hier handelt es sich um ein Vorzeigeprojekt der „Community Supported Agriculture“, wie man bei der solidarischen Landwirtschaft die Finanzierung durch die Verbrauchenden auch nennt.
Carsharing: ein typisches Beispiel für die Sharing Economy
Ein mittlerweile weit verbreitetes Beispiel für Sharing Economy ist das Carsharing. Etwas weiter zurück reicht die Idee der Mitfahrgelegenheit, wie sie im deutschsprachigen Raum zum Beispiel von BlaBlaCar angeboten wird. Beide Konzepte führen zu einem ähnlichen Resultat: Vorhandene Autos lassen sich optimal und nachhaltig nutzen und es muss kein neues Fahrzeug angeschafft werden.
Eine neue Dynamik durch Smartphone und soziale Medien
Für die Sharing Economy haben sich durch das Internet und die Verwendung von Smartphones völlig neue Möglichkeiten ergeben. Alles lässt sich mit allen teilen – in den sozialen Medien, in Foren oder per App. Hier einige Beispiele:
Wohnraum teilen
Wohnungen werden über Dienstleister wie Airbnb oder über Plattformen wie Couchsurfing gern mit anderen geteilt oder zeitweise zur Untermiete angeboten. Manchmal gibt es den Schlafplatz sogar völlig kostenfrei – im Tausch gegen interessante Gespräche oder ein gemeinsames Abendessen.
Musik und Filme streamen
Streaminganbieter wie Netflix oder Spotify erlauben die gemeinsame Nutzung mit Freunden und Freundinnen sowie der Familie. Je nach Bedarf gibt es verschiedene Abonnements, die für alle günstiger ausfallen, wenn viele sich beteiligen.
Foodsharing gegen Lebensmittelverschwendung
Foodsharing sorgt dafür, dass man sein Essen jederzeit problemlos mit anderen teilen kann und es so vor einem Ende im Abfalleimer bewahrt. Wie man mit Apps Essen retten kann, das sonst entsorgt werden müsste, erfahren Sie in unserem Magazin-Beitrag. Dabei sind Dienste wie „Too Good To Go“ spannend zu entdecken – unter anderem, weil man sich nach Wunsch mit Mahlzeiten überraschen lassen kann. Viele Städte bieten den Dienst mittlerweile mit einem umfangreichen Angebot an, einige von ihnen nehmen zudem an der Initiative „Städte gegen Food Waste“ teil.
Mobilität
Weitere Möglichkeiten der geteilten Nutzung gibt es im Bereich Mobilität. Neben Mitfahrgelegenheiten und Carsharing besteht in vielen Städten die Möglichkeit, Fahrräder oder E-Scooter mithilfe eines Smartphones auszuleihen. Für Fahrten auf kürzeren Strecken haben viele sicherlich neben dem Taxi auch schon einen Dienst der Firma Uber in Anspruch genommen.
Wer ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen von privat ausleihen möchte, kann dies ebenfalls problemlos tun, zum Beispiel über die Plattform PaulCamper.
Kleidung
Auf Flohmärkten oder in Kleiderkreiseln können Menschen Kleidung und andere Gegenstände untereinander tauschen. In gewisser Weise sind die Sachen für die Tauschenden dann neu, obwohl sie nicht zum ersten Mal benutzt werden.
Kann Wissen auch Teil der Sharing Economy sein?
Sharing Economy umfasst auch geistiges Eigentum, das für alle frei zugänglich ist. Wissen kann nicht nur in Form von Büchern und anderen Medien erworben oder in Leihbibliotheken zur Verfügung gestellt werden. Auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler publizieren mittlerweile so, dass alle öffentlichen Zugriff auf ihre Forschungsergebnisse haben. Dieses Prinzip nennt sich „Open Access“ und gehört in der Forschung zur guten Praxis. Auf diese Weise können sich Forschende mit Kritik und Feedback zu ihren Methoden auseinandersetzen. Durch das sogenannte Peer-Review-Verfahren, also die Überprüfung durch andere, können sie ihre Arbeit gleichzeitig verbessern.
Wissen in Form von Hilfsmitteln und Programmen ist in der Sharing Economy weit verbreitet. Open Source beschreibt das Verfahren, Software und Codes der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das PC-Betriebssystem Ubuntu oder Programme für die Bildbearbeitung wie GIMP lassen sich meist gratis installieren und mit geringem Kostenaufwand regelmäßig aktualisieren. Solche Produkte entstehen oft durch die Zusammenarbeit Freiwilliger, die seltener am Profit als vielmehr an der Verbreitung bestimmter Ideen und Freeware interessiert sind.
Gemeinden, Bauernhöfe und Baugenossenschaften als Profiteure
Einige Gemeinden und Baugenossenschaften haben die Sharing Economy als Möglichkeit für sich entdeckt und bieten Apps und Portale zum nachbarschaftlichen Austausch an. Bauernhöfe oder Kleingartenbesitzende können Menschen ohne eigenen Garten oder Acker anbieten, sich an ihrem Obst und Gemüse, ihren Kräutern oder Nüssen zu verköstigen. Mundraub ist eine Plattform, die genau diesen Zugang zu übermäßigen Ernteprodukten ermöglichen will. Ein weiteres Beispiel: Die Ackerhelden stellen als Vermittler Acker- und Kleingartenflächen saisonweise zur Verfügung, sodass auch Menschen ohne eigenen Garten in den Genuss selbst angebauter Lebensmittel kommen.
Was sind die Vorteile der Sharing Economy?
Die Sharing Economy bietet eine ganze Reihe von Vorteilen. Die wichtigsten haben wir hier auf einen Blick für Sie zusammengefasst:
- Produkte nicht selbst kaufen müssen, wenn man sie nur selten benutzt
- Geld und Platz sparen
- Dingen einen wirklichen Nutzen und Wert geben
- Wissen teilen und Menschen kennenlernen, von anderen Menschen wertvolle Tipps bekommen
- Verschwendung entgegenwirken
- anderen eine Freude machen, persönlich wertvolle Gegenstände in gute Hände abgeben, z. B. Bücher, Kleidung für spezielle Anlässe oder Spielzeug
Hat die Sharing Economy auch Nachteile?
Fast klingt es so, als würde die Sharing Economy nur Vorteile für alle Beteiligten bieten. Dass es bei dieser Wirtschaftsform am Ende jedoch auch um Geld und Teilhabe geht, bietet Anlass für Kritik:
- Oft basieren die Negativbeispiele auf der Profitgier einiger Firmen. Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist der Marktriese Airbnb. Als Vermittler macht es das Unternehmen seinen Nutzern und Nutzerinnen sehr einfach, an ungewöhnliche und oft überteuerte Kurzzeitunterkünfte zu kommen. Mehr und mehr Reisende ziehen Airbnb trotz fehlender Dienstleistungen, aber dank eines individualisierten Angebots dem klassischen Hotelaufenthalt vor. Nicht nur in Metropolen wie Barcelona oder Lissabon steigen die Mieten durch zum Teil überteuerte Preise für Ferienunterkünfte. Die lokalen Anwohner und Anwohnerinnen fangen an, sich gegen den Riesen zu Wehr zu setzen.
- Leider ist auch die Sharing Economy anfällig für Spekulanten und Gewinnmaximierer. Deshalb sollte man gerade großen Anbietern immer mit einer gesunden Skepsis begegnen. Hier sind die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden selten transparent, während die Vermittler mit größer werdender Marktmacht zum Teil saftige Gewinnbeteiligungen für sich beanspruchen. Auf diese Weise entstehen nahezu unersetzliche Monopole, die wie Google und Co. schwer aus dem Alltag wegzudenken sind. Am Ende stellt sich immer die Frage: „Wer profitiert am meisten – die Gemeinschaft oder nur einige wenige?“
- Ressourcen lassen sich letztlich durch Leihen und Tauschen nur dann einsparen, wenn die Menschen lediglich das nutzen, was sie benötigen. Konsumieren sie durch die vergünstigten Bedingungen mehr oder kaufen sie von dem eingesparten Geld verstärkt ressourcenintensive Güter, ist für die Umwelt nichts gewonnen.
- Zugang zur Sharing Economy haben vor allem die, die bereits Teil der digitalen Welt sind. Dies kann eine Barriere für bestimmte Personengruppen darstellen.
- Und schließlich bedeutet der Einsatz von sozialen Medien und Co. teilweise eine Kommerzialisierung des Teilens. Die kostenlose Nachbarschaftshilfe, wie sie früher praktiziert wurde, wird zunehmend verdrängt.
Fazit: Die Sharing Economy kann eine nachhaltige Konsumalternative sein
Die Sharing Economy ist eine Rückbesinnung auf eine Zeit, bevor alle alles haben konnten. Damals hat die Gemeinschaft dafür gesorgt, dass notwendige Dinge vorhanden waren, das Individuum aber musste nicht unbedingt im Besitz dieser Dinge sein. Das Leih- und Tauschsystem ist eine gute Alternative zum modernen Konsumverhalten. Es erfordert aber auch die Bereitschaft, auf Eigentum in gewissen Bereichen zu verzichten. In diesem Sinne kann sie eine wunderbare Ergänzung sein – und für manche sogar ein ausreichender Ersatz.