Sojaanbau in Deutschland: Kleine Bohne – großes Potential
Ihre Wurzeln liegen in Asien. Bekannt ist die Sojapflanze aber inzwischen rund um den Globus. Nicht überraschend, denn die jahrtausendealte Kulturpflanze hat einiges zu bieten: Sojabohnen bestehen zu etwa 40 Prozent aus Eiweiß. Das macht sie nicht nur zu einer der eiweißreichsten Hülsenfrüchte, sondern auch zu einer wertvollen Bereicherung für den Speiseplan. Denn das Eiweiß ist von einer so hohen qualitativen Wertigkeit, das der menschliche Körper besonders gut verwerten kann. Zudem stecken in der Bohne zahlreiche Mineralstoffe und Vitamine sowie ungesättigte Fettsäuren. Jenseits der Inhaltsstoffe glänzt Soja in kulinarischer Hinsicht: ob in unreifer und frischer Form als Edamame oder in verarbeiteter Form als Sojamilch, Sojajoghurt, Sojasauce oder Tofu.
Inhalt
Sojabohnen und ihre Schattenseiten – Kritik am Sojaanbau
Obwohl sich Sojabohnen aufgrund ihrer Inhaltsstoffe bestens für die menschliche Ernährung eignen, wird der Großteil als Tierfutter angebaut und verwendet. Auch in Deutschland. Die meisten Sojabohnen stammen aus den Hauptanbaugebieten Brasilien, den USA und China. Nicht selten werden in diesen Ländern Regenwälder gerodet und andere einst ursprüngliche Ökosysteme in Ackerland umgewandelt, nur um Soja in Monokulturen anzubauen. Mit gravierenden Folgen: Wertvolle CO2-Speicher werden zerstört und die Artenvielfalt geht verloren. Hinzu kommt, dass der Anbau von Gensoja keine Seltenheit ist. Die Pflanzen sollen robuster gegenüber Herbiziden wie Glyphosat sein, die neben Unkraut eben auch die Sojapflanze angreifen. Kurzfristig mag das für Landwirte eine kostengünstigere Alternative zu anderen, meist preisintensiveren Unkrautbekämpfungsmethoden sein. Den Preis dafür zahlen die anderen: Denn die verwendeten Herbizide und Gensoja werden hinsichtlich Umwelt- und Gesundheitsbelastung scharf diskutiert. Verständlich, dass einem da der Appetit auf Soja vergehen kann.
Sojaanbau als Mehrwert – biologisch und regional
Es geht auch anders. Und zwar mit Soja aus heimischem, kontrolliert biologischem Anbau. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Düngemittel und Pestizide werden Boden und Umwelt geschont. Außerdem liefert die Sojapflanze einen wertvollen Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit: Stickstoff ist ein wichtiger Nährstoff, den Pflanzen zum Wachsen benötigen. Häufig greifen Landwirte daher zu Stickstoffdüngern. Sojapflanzen dagegen reichern durch Symbiose mit sogenannten Knöllchenbakterien selbst Stickstoff im Boden an. Baut man sie in der Fruchtfolge an, bereitet Soja den Boden optimal für nährstoffbedürftigere Pflanzensorten vor. Ein weiteres Plus von heimischem Bio-Soja: Gentechnik ist tabu. Der regionale Anbau bietet darüber hinaus mehr Transparenz – ein Aspekt, der Verbrauchern beim Kauf von Lebensmitteln zunehmend wichtig ist. Außerdem lassen sich so weite Transportstrecken und klimaschädliche CO2-Emissionen vermeiden.
Herausforderungen beim Anbau von Soja in Deutschland
Die Vorteile für Bio-Soja liegen auf der Hand. Trotzdem ist die Sojapflanze auf deutschen Äckern recht selten anzutreffen. Ein Grund: Soja ist eine wärmeliebende Pflanze, die sich nicht in allen Regionen Deutschlands wohlfühlt. Außerdem ist der Import von Sojabohnen nach wie vor günstiger als Soja von hier. Für deutsche Landwirte also weniger lukrativ. Wegen dieser Faktoren ist in der Vergangenheit wenig in die Entwicklung von Sojasorten investiert worden, die sich für kühlere Regionen Deutschlands eignen. Aber mittlerweile tut sich was, um Soja auf unseren Äckern heimisch zu machen.
Tofu-Pionier Taifun setzt sich für Bio-Soja aus Deutschland ein
Zu denen, die sich für den Sojaanbau in Deutschland stark machen, zählt der Freiburger Bio-Tofuhersteller Taifun. Und das bereits seit den 80er-Jahren. „Bio und Regionalität gehören für uns zusammen. Bio-Soja aus Deutschland zu beziehen, ist ökologischer. Durch die räumliche Nähe haben wir eine enge Beziehung zu unseren Vertragslandwirten und können eine nachhaltige Herkunft und die Top-Qualität der Tofu-Sojabohnen garantieren“, erklärt Taifun-Pressesprecherin Lina Cuypers. Taifun bezieht seit 2017 alle Bio-Sojabohnen zur Herstellung von Tofu-Produkten zu 100 Prozent aus Deutschland, Österreich und Frankreich.
Um das zu erreichen, hat Taifun mit der Landessaatzuchtanstalt der Uni Hohenheim 2016 das Projekt „1000 Gärten – das Soja-Experiment“ gestartet. Ziel ist, kühleresistente Sojazüchtungen ausfindig zu machen, die sich für den Anbau jenseits des sonnigen Süddeutschlands eignen. Gleichzeitig sollen sich die Sorten für die Herstellung von Tofu eignen. Dazu sind Sojabohnen mit einem Eiweißgehalt von über 40 Prozent notwendig. Insgesamt haben sich 2400 Gärtner angemeldet, die im Frühjahr 2016 mit zwölf unterschiedlichen Saatguttütchen versorgt wurden. Von der Aussaat bis zur Ernte im Oktober haben diese alle wichtigen Daten zum Wachstum der Pflanzen dokumentiert und zur Auswertung an die Uni Hohenheim übermittelt.
Die ersten Ergebnisse des Soja-Experiments sind vielversprechend. Die Analyse zeigt, dass sich vor allem Gebiete wie das Rheintal, das Donautal in Bayern sowie Regionen um Berlin, Leipzig und Magdeburg für den Anbau gewisser Sojastämme eignen. Zudem haben sich kälteunempfindliche Sorten und welche mit einem Eiweißgehalt von 43-45 Prozent herausgestellt. Ob sich diese für die Herstellung qualitativ hochwertigen Tofus eignen, testet der Bio-Tofuhersteller Taifun derzeit in seiner hauseigenen Labor-Tofurei. Insgesamt stehen die Zeichen für die Sojabohne auf deutschen Äckern aber gut.
Das Engagement für die Bohne trägt Früchte: Sojaanbau in Deutschland mehr als verdoppelt
Martin Miersch, Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums für Sojaanbau und Entwicklung bei Taifun und Vorstand im Sojaförderring, sieht das ähnlich: „Innerhalb von drei Jahren hat sich die Anbaufläche von Sojabohnen in Deutschland mehr als verdoppelt: von 7.500 ha im Jahr 2013 auf 16.000 ha im Jahr 2016. Ich glaube, dass eine Ausweitung auf 150.000 ha in den nächsten Jahren problemlos möglich wäre, wenn Soja-Verarbeiter und Futtermittelhersteller dies vorantreiben.“ Laut Miersch gehöre eine entsprechende Wertschätzung und Zahlungsbereitschaft der Endverbraucher für Produkte aus regional erzeugten Sojabohnen dazu.
Purvegan: Der Süßlupinen-Spezialist hofft auf steigenden Anbau von Eiweißpflanzen in Deutschland
Ein weiterer Bio-Hersteller, der sich auf Produkte aus Hülsenfrüchten spezialisiert hat, ist das pfälzische Unternehmen purvegan mit der Marke alberts. Schwerpunkt des Sortiments sind Produkte auf Basis der Süßlupine, die der Hersteller direkt von Bio-Landwirten aus der Region bezieht. Für seine Tofuprodukte verwendet purvegan Bio-Sojabohnen, die zu 70 Prozent aus Deutschland kommen. „Wir beziehen seit 2012 Bio-Soja aus Deutschland, wobei hier der Anteil stetig und jährlich erhöht wurde. Zu Beginn gab es Schwierigkeiten, die Anbauer davon zu überzeugen, dass hier die Sojabohne auch so funktioniert“, meint Geschäftsführer Alexander Bauer. Er hofft, dass steigende Erträge und die aktuelle Nachfrage nach regionalen Hülsenfrüchten weitere Landwirte motiviert, Eiweißpflanzen anzubauen. Dies sei stark davon abhängig, wie sich die Nachfrage nach Soja entwickelt. Als Futtermittel werde immer mehr genfreies Soja nachgefragt. „Und dies kann niemand besser garantieren als der regionale Anbauer“, so Bauer.
Regionale Sojabohnen von Anfang an bei Lord of Tofu
Die Bio-Marke Lord of Tofu verwendet für ihre Tofu-Produkte seit 2016 ausschließlich Bio-Soja aus deutschem Anbau. Das Unternehmen mit Sitz in Lörrach begann bereits 1995 Bio-Sojabohnen aus der Freiburger Region für seine Produkte zu verwenden. Gründe für den Bezug regionaler Bio-Sojabohnen seien laut Geschäftsführerin Dörte Ulrich die kurzen Transportwege und garantiert gentechnikfreie Rohstoffe. Darüber hinaus legt Lord of Tofu Wert darauf, dass die Sojabohnen zertifiziert sind, da diese strengeren Richtlinien als dem EU-Bio-Siegel unterliegen. Eine Herausforderung für das Unternehmen beim Bezug von regionalen Bio-Sojabohnen sei der Eiweißgehalt der Hülsenfrüchte, der nicht immer optimal ist, so Ulrich. Nichtsdestotrotz glauben die Gründer daran, dass sich Soja in den kommenden Jahren in Deutschland etablieren werde.
Netzwerk aus Familienbetrieben liefert dem Hofgut Storzeln regionales Soja
Das Hofgut Storzeln am Bodensee verwendet für die Herstellung seiner Sojadrinks ausschließlich zertifizierte Sojabohnen aus der Region. Und zwar aus eigenem Anbau. Geschäftsführer Simon Schorre erklärt: „Wir haben ein Netzwerk von landwirtschaftlichen Familienbetrieben rund um den Bodensee. Mit diesen Partnern gehören wir zu den größten Anbauverbänden für Soja in Deutschland.“ Die ersten Sojapflanzen baute das Hofgut Storzeln 2009 an. Auf die Frage, warum sich das Hofgut für den Anbau von Soja entschied, antwortet Schorre, dass in puncto Protein- und Fettgehalt nur die Sojabohne infrage käme, wenn man auf der Suche nach einer Alternative zu Kuhmilch sei. Ausschlaggebend für die Entwicklung nach Milchalternativen war die Laktoseintoleranz von Dirk Emrich, dem Gutsherrren. Die größten Herausforderungen beim Anbau von Soja seien für das Hofgut die Beikrautregulierung und die Ernte gewesen. „Wir haben hier in spezielle Technik investiert und stellen diese auch unseren Partnern zur Verfügung.“ Schorre ist sich sicher, dass sich der Sojaanbau ähnlich wie der Maisanbau in Deutschland etablieren wird. Die Züchtung mache große Fortschritte. Wichtig sei nur, dass Deutschland GVO-frei bliebe.
Fazit: Soja ist eine Pflanze mit Perspektive
Fest steht: Der Anbau von Soja in Deutschland birgt viel Potential. Die Aufklärungsarbeit zum Sojaanbau unter Landwirten, die Etablierung kühleresistentere Sojasorten und die Wertschätzung von Konsumenten für regionale Bio-Sojabohnen sind drei Schlüsselfaktoren. Mit ihnen stehen die Chancen gut, dass Soja auch bald bei uns als heimische Pflanze Wurzeln schlägt. Das würde nicht nur unsere Böden und Teller bereichern, sondern auch unsere Landwirtschaft stärken.
Zusammengefasst:
Tofu, Tempeh, veganer Quark – Soja sorgt in vielfältiger Form für Abwechslung auf dem Speiseplan und erfreut sich nicht nur bei Vegetariern und Veganern großer Beliebtheit. Jedoch haftet Soja häufig ein fader Beigeschmack an: Gensoja, Abholzung von Regenwäldern, schlechte Klimabilanz. Ist der schlechte Ruf gerechtfertigt? Wir haben die Sojapflanze genauer unter die Lupe genommen und sagen: Nein. Solange sie auf heimischen Äckern wächst.