„Mutig und sichtbar sein!“ – Unternehmerinnen-Talk zum Weltfrauentag

Die zwei Geschäftsführerinnen sitzen sich gegenüber und führen ein Gespräch.

Festgefahrende Strukturen, gleiche Bezahlung für alle Geschlechter und Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen: Themen, über die es sich lohnt, das ganze Jahr zu sprechen, aber auf die vor allem am Weltfrauentag ein Fokus gelegt wird. Im Interview sprechen Katharina Hupfer, Geschäftsführerin von Waschbär und Alma Spribille, Geschäftsführerin von WEtell, über diese und weitere Themen.

Die Geschäftsführerinnen Katharina Hupfer und Alma Spribille im Gespräch über ihre Erfahrungen

Was bedeutet der Weltfrauentag für euch?

Alma: Für mich ist er wie eine Erinnerung daran, dass wir uns damit beschäftigen müssen, dass Frauen gleichberechtigt behandelt werden; dass sie immer noch nicht die gleichen Voraussetzungen haben wie Männer; und dass wir uns das mindestens einmal im Jahr als ganze Gesellschaft bewusst machen sollten. Und wirklich darüber nachdenken, warum wir eigentlich Gleichberechtigung für alle Geschlechter wollen?

Katharina: Der erste Weltfrauentag war 1911 in Europa. Die Themen waren damals Frauenwahlrecht und andere arbeitsrechtliche Belange. Und ja, wir haben in Deutschland zwar jetzt ein Frauenwahlrecht, aber viele andere Themen wie Gleichstellung, Equal Pay und vollständige Gleichberechtigung sind auch nach so vielen Jahren immer noch nicht vollständig umgesetzt. Wir müssen also weiterhin darüber sprechen. Lasst uns an diesem Tag genau betrachten, was haben wir erreicht und was haben wir immer noch nicht erreicht. Und was muss jetzt eigentlich endlich passieren?

Nur ein Drittel aller Geschäftsführenden ist weiblich. Was sagt ihr dazu?

Katharina: Es ist schon verrückt, dass wir immer noch darüber reden müssen. Wenn ich mich mit Geschäftsführenden treffe, merke ich sehr deutlich, dass oft das andere Geschlecht überwiegt und nicht einmal das weibliche Drittel vertreten ist. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir neben all dem, was in unseren Unternehmen getan wird, auch regelmäßig hinausgehen und sichtbar werden. Dieses Jahr war ich beispielsweise zum ersten Mal beim IHK-Neujahrsempfang in Freiburg. Denn gemeinsam mit anderen Frauen aus unterschiedlichen Unternehmen habe ich beschlossen, hinzugehen, um ein bisschen Farbe hineinzubringen und zu zeigen, dass es viele Frauen gibt, die sich engagieren und Verantwortung übernehmen. Ich glaube, mit diesem Bewusstsein muss man auch in seiner Rolle als Geschäftsführerin immer wieder bewusst umgehen und sagen:

Wir müssen uns zeigen, wir sind zahlreich und wir werden noch zahlreicher, aber es sind noch nicht genug.

Alma: In mir löst es ambivalente Gefühle aus. Denn ich denke, dass ich im Jahr 2024 eigentlich nicht mehr darüber reden möchte, dass ich eine Frau bin. Gleichzeitig ist es aber notwendig. Ich bin beispielsweise im Vorstand des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft tätig. Dort sind wir fifty-fifty. Mindestens 50 Prozent der Vorstandsmitglieder sind Frauen. Auch die Geschäftsführerin ist eine Frau. Das fällt auf. Gleichzeitig merke ich, wenn ich die „Nachhaltigkeits-Blase“ verlasse, kenne ich fast ausschließlich männliche Geschäftsführer. Ich finde, das sollte bunter sein. Ich strebe eine Welt an, in der wir nicht mehr über das Geschlecht reden müssen. Aber bis wir diesen Zustand erreichen, müssen wir weiterhin darüber reden.

Welchen Vorurteilen bist du in deiner Karriere begegnet?

Alma: Meine Mutter hat mich erst mit 41 bekommen und wenn die Geschichten erzählt, merke ich, dass ich ein privilegiertes Leben führe. Meine Mutter ist technische Zeichnerin oder Maschinenbau-Technikerin gewesen. Sie war die erste Frau im Unternehmen und wurde einfach „Eva“ deswegen genannt. Sie heißt nicht Eva, aber die erste Frau haben sie dann wie die erste Frau aus der biblischen Schöpfungsgeschichte einfach „Eva“ genannt. Und da sind noch ganz andere Geschichten gelaufen. Dagegen war mein Leben ein Traum.

Nichtsdestotrotz hatte ich auch im Berufsleben das Gefühl, dass ich anders behandelt werde. Ich war beim Fraunhofer Institut für solare Energie-Systeme und dort habe ich bestimmt 50-mal den Spruch gehört: „Bist du hier eigentlich die Quotenfrau?“ Währenddessen hat mich das gar nicht so gestört. Ich habe sogar lauter Fortbildung bekommen, wo mir beigebracht wurde, sich im weitesten Sinne wie ein Mann zu verhalten, damit ich mitspielen kann und erfolgreich sein kann. Das hat auch geholfen. Damit wird man erfolgreich, weil man die Spielregeln der Mehrheit versteht.

Katharina: Als ich mehr Verantwortung übernahm und zur Geschäftsführerin wurde, bemerkte ich Veränderungen. Plötzlich saß ich oft als einzige Frau in einer Gruppe von zehn Männern. Lange Zeit machte ich mir darüber keine Gedanken, aber irgendwann bemerkte ich doch die Unterschiede, sei es in der Begrüßung, die Netzwerke oder in anderen Situationen. Ich fragte mich dann, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt. Und dann ist mir aufgefallen, dass mir ja mit der Rolle der Geschäftsführerin eine großartige Sache mitgegeben wurde: Ich kann entscheiden. Und ich entschied mich, Frauen mehr Chancen im Beruf zu geben, Teilzeitmodelle einzuführen und Möglichkeiten anzubieten, damit sie Familie und Beruf besser vereinbaren können. Ich glaube, wenn wir auch den Männern die Chance geben, etwas flexibler mit Dingen umzugehen, dann wird es auch für die Frauen leichter. Ich musste jedoch erst das Selbstbewusstsein entwickeln, um zu erkennen, dass ich so sein darf, wie ich möchte.

Wo werden Frauen speziell im Hinblick auf Führung benachteiligt?

Katharina: Ich denke, wenn es um Führung geht, ist es eher die Frage, wie gelange ich in Führung? Um in Führung zu gelangen, trage ich natürlich einen großen Teil dazu bei, indem ich mich weiterbilde und sichtbar mache. Aber ein großer Teil davon ist auch, dass jemand an dich glaubt, dir das zutraut und dich fördert. Im Bereich des Netzwerkens denke ich, dass Männer hier oft einen Vorteil haben oder zumindest weniger Hemmungen haben. Ich habe als Frau lange gezögert, reine Frauen-Netzwerke zu nutzen. Aber ich habe erkannt, dass es notwendig ist, dort präsent zu sein, um über bestimmte Themen und Hindernisse zu sprechen und die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Alma: Als ich Führungskraft beim Fraunhofer werden wollte, habe ich häufig den Satz gehört: „Aber du bist jetzt schon 30. Da kommen dann die Kinder und in Teilzeit führen, das geht nicht.“ Erstens sollten wir auf der Arbeit nicht darüber diskutieren, ob man einen Kinderwunsch hat. Das ist eine private Angelegenheit, die Arbeitgeber eigentlich nichts angeht. Man sollte private Angelegenheiten auch privat lassen. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Vorurteil herrschte, dass man keine Führungskraft in Teilzeit sein kann – was nicht stimmt. Männer sollten auch Teilzeit führen können. Deshalb ist Gleichberechtigung auch für Männer ein Vorteil, da wir eine Gesellschaft schaffen, die für alle Geschlechter gleichermaßen geeignet ist.

Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass einige wollten, dass der Weg für die nächste Generation genauso steinig ist und dass sie genauso viel Einsatz zeigen müssen. Ich glaube, wir müssen darüber hinwegkommen. Ehrlich gesagt, die jüngeren Generationen fordern auch, dass wir darüber hinwegkommen. Sie sind nicht mehr bereit, diesen steinigen Weg zu gehen. Ich habe unglaublich viel gelernt, seit ich WEtell mache. Ich merke einfach, wie viel Qualität die Menschen einbringen können, wenn sie klare Grenzen setzen und eine ausgewogene Work-Life-Balance suchen. Sie wollen nicht acht Stunden am Tag arbeiten, nicht weil sie es nicht können, sondern weil sie es nicht wollen.

Katharina: Das kann ich ergänzen, denn das ist auch eine Beobachtung, die ich mache. Ich wurde in eher männerdominierten Strukturen sozialisiert, und man passt sich an. Natürlich fängt man irgendwann an, sich zu hinterfragen und zu überlegen, warum das so ist. Aber das dauert eine Weile.

Ich finde es bemerkenswert, wie mutig die jungen Menschen sind, die das schon sehr früh ansprechen. Sie passen sich nicht erst an, sondern sagen von Anfang an: „Das wollen wir nicht.“ Das ist vielleicht auch eine Errungenschaft oder Transformation, die wir älteren Generationen unterstützen und ermutigen sollten. Anstatt zu sagen: „Ihr müsst das durchmachen, was wir durchgemacht haben“, sollten wir sagen „Es ist gut, dass ihr so mutig seid, und wir unterstützen euch dabei!“

Ist Gleichberechtigung in einem Unternehmen in Verantwortungseigentum einfacher?

Alma: Ich glaube nicht, dass Verantwortungseigentum zwangsläufig etwas grundlegend Andersartiges bewirkt, aber es schafft bessere Voraussetzungen dafür, dass Mitarbeitende klarer ihre Ansprüche formulieren können – auch gegenüber ihren Führungskräften. Sie stehen klar dazu, weil sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass das Unternehmen, dem sie angehören, eigentlich allen Mitarbeitenden gehört, da sie alle dazu beitragen. Dadurch kommen sie teilweise mit einem anderen Selbstbewusstsein daher. Das fordert mich heraus, manchmal, weil man das Gefühl hat, es wäre einfacher, durchzuregieren. Das stimmt jedoch nicht, das weiß man auch auf kurze Sicht.

Manchmal hat man das Gefühl, dass man einfach sagen könnte, was zu tun ist. Aber das würde mich und das Unternehmen nicht weiterbringen. Wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir alle dazu beitragen. Ich glaube, dass der Anspruch und damit auch die Selbstverständlichkeit, mit der so etwas weiterentwickelt wird, im Verantwortungseigentum besser ist oder die Voraussetzungen dafür besser sind. Ich möchte nicht sagen, dass andere Unternehmen das nicht genauso leben können, aber ich glaube, dass dies wie ein rechtlicher Rahmen ist, der es einfacher macht und wahrscheinlicher erscheinen lässt.

Katharina: Ich stimme dem, was gesagt wurde, sehr zu. Sicherlich durchläuft ein Unternehmen wie unseres, das bereits seit 30 Jahren auf dem Markt ist und sich transformiert hat, einen großen Transformationsprozess. Es geht darum zu sagen: Wenn das Unternehmen allen gehört, wie wollen wir dann miteinander umgehen und was müssen wir eigentlich verändern? Dies wird stark von der Führung vorangetrieben und erfordert auch von der Führung tägliches Lernen. Denn es gibt immer noch viele alte Muster – bei den Führungskräften, einschließlich mir. Aber ich glaube, wenn man sich dazu verpflichtet, spürt man bei den Mitarbeitern eher die Zustimmung dazu, dass wir uns auf diesen Weg begeben.

Einige fragen sich vielleicht, wo sie mitmachen können, während andere erkennen, dass dies eine harte Arbeit sein wird. Daher würde ich sagen, dass die ökonomischen Herausforderungen dieselben sind. Aber Verantwortungseigentum bedeutet bei uns auch Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Man muss überlegen, wie das umgesetzt werden kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Thema Zusammenarbeit und die Art und Weise, wie wir miteinander arbeiten, der Schlüssel dazu ist. In Gesprächen über solche Themen können schnell Forderungen oder Diskussionen entstehen, die vielleicht in anderen Kulturen ungewöhnlich sind. Aber sie können auch bereichernd sein, auch wenn man manchmal Schlucken muss. Das gehört für mich mittlerweile dazu. Für uns bei Waschbär ist das ein wichtiger Bestandteil. Deshalb sitzen hier zwei Verantwortungseigentümerinnen, wo es scheinbar etwas anders ist oder zumindest so, wie wir es beschrieben haben.

Was empfehlt ihr Frauen in Führungspositionen?

Alma: Der wichtigste Tipp, den ich geben kann, ist, dass man zunächst bei sich selbst anfangen muss. Man muss bei sich selbst sein und sich selbst Führung zutrauen. Und dann muss man auch für sich einstehen. Wenn man eine Führungsposition übernehmen möchte, muss man das klar kommunizieren. Das sage ich auch immer allen Frauen:

Bitte wartet nicht darauf, dass irgendjemand – sei es ein Mann oder eine andere Frau – eure Fähigkeiten entdeckt. Für sich selbst einzustehen, ist keine typisch männliche Eigenschaft. Wir haben Mädchen oft beigebracht, lieb, angepasst und süß zu sein. Ich persönlich bin lieber rebellisch. Das muss nicht jede Frau sein, aber sich selbst zu sagen, was man möchte, ist weit entfernt von rebellisch.

Übrigens ist es nicht peinlich, wenn es nicht sofort funktioniert. Ich wollte jahrelang eine Führungsposition bei Fraunhofer übernehmen, bis es dann tatsächlich passiert ist. Aber nur, weil ich angefangen habe zu sagen: „Ich möchte das gerne. Ich sehe mich da.“ Und wenn es zwei oder drei Jahre dauert, dann dauert es halt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, sich wirklich selbst zu reflektieren. Wie möchte ich sein? Sich nicht einfach an Männer anzupassen, sondern herauszufinden, wer man selbst eigentlich in einer Führungsposition sein möchte.

Katharina: Neben dem Aspekt, immer bei sich selbst anzufangen und sich wirklich zu fragen, was man möchte und wo man seine Fähigkeiten sieht, ist es auch wichtig, sich von außen reflektieren zu lassen und aktiv in Diskussionen darüber zu gehen. Wenn man spürt, dass man in Führung gehen möchte, dann sollte man es auch ausprobieren. Und wenn es nicht klappt oder wenn man sich nicht wohlfühlt, dann gibt es Möglichkeiten, Dinge anders zu machen. Ich glaube auch, dass es das Wichtigste ist, nicht unbedingt der bessere Mann sein zu wollen. Als Geschäftsführerin stehe ich nicht nur für mich selbst ein, sondern auch für das Unternehmen. Deshalb ist es wichtig, herauszugehen und sichtbar zu werden.

Ich glaube, wenn ich unser Gespräch so Revue passieren lasse, ist wichtig, über Dinge zu sprechen, Stellung zu beziehen und Haltung zu zeigen. Denn in dieser Position gibt es eine Verantwortung. Verantwortung bedeutet auch die Möglichkeit zu nutzen, gehört zu werden und Einfluss zu nehmen. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste an dieser Stelle.

➔ Das gesamte Interview finden Sie auf dem Youtube-Kanal von WEtell.

 

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