Purpose Unternehmen sind für ihre Kunden und Mitarbeiter da
Irgendwann muss sich jeder Eigentümer eines Unternehmens mit seiner Nachfolge auseinandersetzen. In diesem Fall gibt es gewöhnlich zwei Szenarien: Entweder wird das Unternehmen verkauft und der meistbietende Käufer erhält den Zuschlag. Oder es wird in der Blutlinie an die nächste Generation vererbt. Jede Nachfolge birgt das Risiko, dass das Unternehmen mitsamt seinen Mitarbeitern zum Spielball von Investoren oder Erbstreitigkeiten wird. Und dass es am Ende Menschen gehört, die gar keinen Bezug zum Unternehmen haben. Für Ernst Schütz, den bisherigen Eigentümer der Triaz Group, zu der Waschbär gehört, kamen diese üblichen Prozedere nicht in Frage. Wie aber die Nachfolge so regeln, dass das Unternehmen auch in Zukunft im Sinne seiner Mission weitergeführt werden kann — unabhängig von den Interessen von Eigentümern oder fremden Investoren? Mit dieser Fragestellung hat sich Schütz viele Jahre lang intensiv beschäftigt und Antworten bei einer neuen Unternehmensform gefunden: Purpose.
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Am Anfang stand die Frage: Welche Bedeutung hat es für Unternehmen, Eigentum zu sein?
2011 lernt Ernst Schütz den jungen Unternehmer Armin Steuernagel kennen, der sich mit Konzepten für eine andere Art des Wirtschaftens auseinandersetzt. Insbesondere das Thema Eigentum hat es Steuernagel angetan, der bereits mit 16 seine erste Firma gegründet hatte. „Wir begreifen Firmen als Sache. Aber eigentlich sind Unternehmen doch lebendige Organismen, in denen Menschen zusammenarbeiten. Ich bin daher der Meinung, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert ein neues Verständnis von Eigentum brauchen“, so Steuernagel. Auch für Schütz war Eigentum nie das erklärte Ziel. „Inhaber eines Unternehmens zu sein, hat für mich per se keine Bedeutung. Das ist für mich nur ein Mittel zum Zweck, um etwas bewegen zu können und Wirtschaft so zu gestalten, wie es meinem Verständnis entspricht“, erklärt er.
Ernst Schütz und Armin Steuernagel stellen fest, dass sie über die gleichen Fragen nachdenken: Wie kann man verhindern, dass ein Unternehmen durch Kauf und Verkauf zum reinen Spekulationsobjekt wird? Wie kann man den Mitarbeitern die Garantie geben, dass das, wofür sie heute arbeiten, auch morgen noch Bestand hat? Und wie kann man dafür sorgen, dass die Eigentümer auch immer die Verantwortung für ihr Unternehmen übernehmen und diese nicht an angestellte Manager delegieren? „Unternehmen sollten denen gehören, die dafür einstehen“, ist Schütz überzeugt.
Bei Purpose steht der Zweck des Unternehmens im Mittelpunkt
Beim Nachdenken allein bleibt es nicht. Schütz und Steuernagel gründen zusammen mit dem Unternehmer Daniel Häni und dem Finanzexperten Alexander Schwedeler 2015 eine Stiftung. „Purpose“ lautet der Name dieser Stiftung, was übersetzt „Zweck“ heißt. Denn die Purpose Stiftung will Unternehmen dabei unterstützen, ihren Sinn und Zweck und nicht den Profit in den Mittelpunkt zu stellen. „Wenn wir die Gesellschaft betrachten, ist Wirtschaft der Teil, den sie braucht, um zu existieren. Wir benötigen Kleider, Möbel und Essen. Wirtschaft hat für mich daher keinen Selbstzweck. Wir sehen ja auf der ganzen Welt, wohin das führt, wenn sich Wirtschaft verselbstständigt und die Gewinnmaximierung zum hauptsächlichen Antrieb wird“, so Schütz.
Purpose Unternehmen gehören sich quasi selbst und keinem klassischen Eigentümer
Damit sich Unternehmen wieder auf ihren eigentlichen Zweck konzentrieren können, hilft ihnen die Purpose Stiftung bei der Umwandlung in eine innovative Eigentumsform, die es so bisher nicht gab. Im herkömmlichen Sinne müssen Unternehmen, genauso wie Dinge, jemandem gehören und jemandem zuordenbar sein. Die Purpose Stiftung hingegen hat eine Rechtsform gefunden, wie Unternehmen sich quasi selbst gehören, unverkäuflich werden und somit dem Kapitalmarkt langfristig entzogen werden können.
Die Idee dahinter: Werteverwandtschaft anstatt Blutsverwandtschaft
Mit Purpose findet die Suche von Schütz nach einem passenden Modell für die Zukunft seines Unternehmens ein Ende. Anstatt die Gruppe an einen externen Investor zum maximalen Preis zu verkaufen, wandelt er sie zusammen mit seinen Nachfolgern in eines der ersten Purpose Unternehmen um und gibt sich mit einem für alle Beteiligten fairen Kaufpreis zufrieden. „Ich habe meine Firma nicht nach Blutsverwandtschaft weitergegeben, sondern nach Werteverwandtschaft“, erklärt Schütz. Diese Werteverwandtschaft hat er in Katharina Hupfer und Matthias Wehrle gefunden. Hupfer ist eine langjährige Mitarbeiterin und verantwortete zuletzt den Einkauf und die Marke Waschbär bevor sie Mitglied der Geschäftsführung wurde. Wehrle ist seit 2015 bei der Triaz Group; seit 2016 in der Geschäftsführung und war davor als Vorstand in einem mittelständischen Freiburger Unternehmen tätig.
Hupfer und Wehrle werden Ende 2017 die neuen Eigentümer der Gruppe, gemäß den Grundsätzen der Purpose Stiftung, die nun fix in der Unternehmenssatzung verankert sind. So schreibt Purpose vor, dass die Gewinne im Unternehmen verbleiben. Sie müssen entweder reinvestiert, gespendet oder an Mitarbeiter in Form von Tantiemen oder Lohnerhöhungen ausgezahlt werden. „Als Purpose Eigentümer haben wir zwar die Stimmrechte am Unternehmen, aber nicht die Rechte an den finanziellen Erträgen. Die Gewinne der Triaz Group sind also nicht die Privatsache von Katharina Hupfer und mir, sondern dienen der Weiterentwicklung unserer Gruppe“, erklärt Matthias Wehrle.
Ein Purpose Prinzip: Die Eigentümer müssen die Geschäfte leiten
Was ebenfalls im Unternehmen bleibt, ist die Verantwortung. Nicht fremde Investoren oder ferne Eigentümer, die mit dem Tagesgeschäft nichts zu tun haben, sollen die Entscheidungen treffen. Sondern immer diejenigen, die gerade die Geschicke des Unternehmens leiten. Gemäß den Purpose Grundsätzen müssen die Eigentümer daher auch gleichzeitig die Geschäftsführer sein. Für Hupfer und Wehrle bedeutet das, dass sie nur solange die Eigentümer sind, wie sie mit dem Unternehmen verbunden sind. Verlassen sie es, geben sie ihre Anteile an einen neuen, geeigneten Eigentümer weiter. An ihre Kinder vererben oder verkaufen dürfen sie ihre Anteile nicht. Purpose bezeichnet das als „Verantwortungseigentum“. Damit alle Grundsätze unabhängig kontrolliert und wirklich eingehalten werden, hält die Purpose Stiftung einen Anteil von einem Prozent an der Triaz Group. Die Stiftung muss ein Veto einlegen, wenn die Purpose Regeln missachtet werden.
Purpose Unternehmen arbeiten für ihren Zweck
Die strikten Regeln von Purpose sind eine Garantie für die Kunden und Mitarbeiter, dass nicht die Rendite, sondern der Zweck des Unternehmens im Mittelpunkt steht. „Der Unternehmenszweck ist ebenfalls in unserer Satzung festgeschrieben“, erklärt Wehrle. „So können unsere Kunden sicher sein, dass sie mit ihrem Einkauf unsere Mission unterstützen, die wir mit dem Angebot von sozial und ökologisch gefertigten Produkten verfolgen. Und unsere Mitarbeiter wissen, dass sie für etwas Sinnvolles arbeiten“, ergänzt Katharina Hupfer. „Das Purpose Konzept gibt uns zudem die Möglichkeit, ohne den Druck von Investoren zu handeln, die in erster Linie Interesse an einer möglichst hohen Rendite haben!“
Purpose begrenzt den Einfluss des Geldes
Natürlich ist auch die Triaz Group in bestimmten Situationen auf externe Geldgeber angewiesen. So musste beispielsweise der Kaufpreis aufgebracht werden, den Schütz im Zuge der Weitergabe seines Unternehmens erhalten hat. Aber auch für die Geldgeber gelten die Purpose Regeln: „Die Verzinsung des Geldes, das von Investoren oder durch den Purpose Fonds kommt, ist begrenzt“, erläutert der Finanzexperte und Purpose Mitbegründer Alexander Schwedeler. Geldgeber hätten keinerlei Mitspracherecht und müssten sich mit einem niedrigen Zinssatz zufriedengeben, noch dazu ohne Garantie. „Vom Geld soll keine Macht ausgehen“, fasst Schwedeler zusammen. Und bringt damit auch einen Kerngedanken von Purpose treffend auf den Punkt.